ITEA is the Eureka Cluster on software innovation
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16 December 2011 · Source: SafeTRANS News · Download PDF

Deutschland Stärke ist die Verknüpfung von IT und Industrie



Was haben Technologien für das Internet der Dinge mit Politik zu tun? Welche Initiativen und Projekte werden unterstützt? Und wie ist diese Unterstützung organisiert? In der Initiative Industrie 4.0 arbeiten BMBF und BMWi mit Vertretern aus Industrie und Wissenschaft zusammen, um die deutsche Industrie auf ihrem Weg zur Digitalisierung von Produktionsprozessen zu unterstützen. Wolf-Dieter Lukas, Leiter der Abteilung Schlüsseltechnologien im BMBF, und Andreas Goerdeler, Leiter der Unterabteilung Informationsgesellschaft und Medien im BMWi, legen im Gespräch mit SafeTRANS die Gründe für das politische Engagement und ihre Erwartungen dar.

In der Forschung kann zwischen Grundlagenforschung und der eher anwendungsorientierten Innovationsforschung unterschieden werden. Beide Felder sind für eine hochentwickelte Industriegesellschaft enorm wichtig. Wird bei der deutschen Forschungsunterstützung zwischen diesen Feldern unterschieden und falls ja, welche Instrumente innerhalb des Bereichs IKT gibt es jeweils?

Wolf-Dieter Lukas: Stark vereinfacht gesprochen wird in Deutschland die akademische Grundlagenforschung durch die von Bund und Ländern getragene Deutsche Forschungsgesellschaft (DFG) finanziert und die anwendungsorientierte Forschung in Fördervorhaben durch das BMBF oder die EU gefördert. Das gilt auch für die IKT. Dort ist der Weg von der Grundlagenforschung zur Anwendung aber oft sehr kurz. Denken Sie nur an den Physik-Nobelpreis an Prof. Grünberg und Prof. Fert für den GMR-Effekt: Der Effekt wurde 1988 entdeckt und schon 1997 kam die erste Computer-Festplatte auf dessen Basis auf den Markt. Embedded Systems sind nun ein Beispiel für beide Förderarten: Grundlegende Fragen zum Entwurf softwarebasierter Eingebetteter Systeme wurden ab Ende der 90er Jahre in einem DFG-Sonderforschungsbereich untersucht. Dann folgte mit dem Projekt SPES eine vom BMBF finanzierte anwendungsbezogene Umsetzung, die auf akademischer Seite koordiniert wurde. Nun sollen daraus Werkzeuge mit den Anwendern für die Praxis entwickelt werden. So entstehen in Deutschland aus der Grundlagenforschung heraus durch die Förderung von Kooperationen mit Industrie und Praxis Innovationen.

Andreas Goerdeler: Das BMWi unterstützt stark anwendungsbezogene Vorhaben unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Bedingungen mit Fokus auf der mittelständischen Wirtschaft. Wir wollen den Transfer von Forschungsergebnissen in konkrete Anwendungen erleichtern. Gerade im Bereich IKT beziehen wir große und kleine Hersteller, die Forschung sowie die Modellanwender ein.


An welcher Stelle der Innovationsförderung ist es sinnvoll, politisch einzugreifen und wo sollte man den Markt und die Gesellschaft entscheiden lassen?
Goerdeler: Von der Politik gefördert werden Vorhaben aus dem vorwettbewerblichen Bereich, d.h. solche die bis zum Markteintritt reichen. Dies schließt die Entwicklung eines Prototypen mit ein. Allerdings sinkt mit der Anwendungsnähe die Förderquote. Alles was sich an die Entwicklung eines Prototypen anschließt und zur Markteinführung zählt, ist nicht Gegenstand der Innovationsförderung.

Innovation ist ureigene Sache der Unternehmen. Wir wissen aber, Deutschlands Stärke ist die Verknüpfung von IT und Industrie dass es externe Effekte und unvollständige Informationen gibt.

Marktmodelle berücksichtigen diesen Umstand und er ist gerade für FuE wichtig, da hier längerfristige Grundlagen gelegt werden. Ein weiterer wichtiger Punkt der Unterstützung liegt in der Verknüpfung verschiedener Domänen. Durch gezielte Förderprojekte werden Branchen und Unternehmen zusammengeführt, die sonst eher nicht zusammenarbeiten würden, aber stark voneinander profitieren können.


Das BMWi legt größten Wert auf eine Evaluierung der Technologieförderung. Die besten Erfahrungen habe ich dabei mit einer begleitenden Evaluierung gemacht, die nicht nur den Projektfortschritt beobachtet, sondern auch projektübergreifende Querschnittsthemen adressiert. Daraus ergeben sich dann ein kontinuierliches Gesamtbild für ein internationales Benchmarking und möglicher Korrekturbedarf.

Lukas: Wir fördern in vielen Bereichen auch begleitende Analysen zu den rechtlichen, sozialen und ökonomischen Randbedingungen einer Technologieentwicklung in einem speziellen Anwendungsfeld. Ergebnisse dabei sind insbesondere die Formulierung gesellschaftlicher Bedarfe und Handlungsfelder. In der Informatik existieren sehr große Gestaltungsspielräume. Deswegen ist hier besonders wichtig, dass aus öffentlich geförderter Forschung gesellschaftlich wünschbare Ergebnisse entstehen.

Der Erfolg einer Innovation - also die Entscheidung von Markt und Gesellschaft - hängt dann letztlich von weiteren Faktoren ab: dem Preis, der Marktstrategie und vielem mehr, insbesondere auch von gesetzlichen Rahmenbedingungen. Letztere wiederum orientieren sich an der gesamtgesellschaftlichen Wirkung und nicht allein an Industrieinteressen.


Wie schätzen Sie die Bedeutung von Embedded Systems und Cyber Physical Systems für die deutsche Wirtschaft ein?
Lukas: Das produzierende Gewerbe in Deutschland hat, nach den Unternehmensdienstleistungen, den zweithöchsten Anteil am Bruttoinlandsprodukt und erwirtschaftet fast die Hälfte unserer Exporte. In den meisten dieser Produkte und Anlagen sind Embedded Systems zur Steuerung und Regelung eingebaut. Mit der Entwicklung, Alltagsgegenstände mit weiteren Funktionen aufzurüsten und die physische mit der virtuellen Welt zu verbinden, steigt die Bedeutung von Embedded Systems - oder, wenn es um vernetzte Systeme geht: Cyber Physical Systems - nochmals immens an. Mit Cyber Physical Systems sehen wir die Vernetzung von eingebetteten IKTSystemen untereinander und mit dem Internet, wie sie bereits in ersten Anwendungen und Teillösungen in Maschinensteuerungen, medizinischen Geräten oder ABSSystemen im Automobil bekannt sind. Embedded und Cyber Physical Systems sind eine essentielle der so genannten key enabling technologies für Produkte aus Deutschland. Ihre Bedeutung für unsere Volkswirtschaft kann man eigentlich gar nicht überschätzen. Goerdeler: Die Entwicklungen im Rahmen der Vernetzung von virtueller mit physikalischer Welt ist enorm wichtig für den Industriestandort Deutschland, denn wir haben hier große Stärken. Das betrifft vor allem den Bereich der logischen Steuerungen, wie sie z.B. im Maschinen- und Anlagenbau und in Energiesystemen eingesetzt werden.
Außerdem fließt in ihre Entwicklung sehr viel Know-how ein, was für ein Land, das stark auf Köpfe setzt, besonders wichtig ist.


Wie erfolgt eine politische Umsetzung dieser Bedeutung?
Lukas: Das BMBF fördert bei der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften (acatech), das Projekt „agendaCPS“ mit dem Ziel, eine Forschungsroadmap für die Förderung von Cyber Physical Systems auszuarbeiten. Diese Roadmap liegt Ende 2011 vor. Aus dieser Arbeit und aus den Debatten in der Forschungsunion zum Internet der Dinge ist der Vorschlag entstanden, die Umsetzung auf das für Deutschland ökonomisch bedeutsamste Gebiet zu fokussieren, die Stärkung unserer industriellen Basis. Industrie 4.0 wird daher ausgestaltet zu einem Zukunftsprojekt der Hightech-Strategie der Bundesregierung.

Goerdeler: Schon heute können wir auf vielfältige Vorarbeiten für Industrie 4.0 zurückgreifen. Das BMWi unterstützt bereits im Rahmen der IKT-Strategie Initiativen im Bereich Cloud Computing, autonome Systeme und neben der technologischen Forschung werden in der Begleitforschung Querschnittsthemen untersucht, die für eine Etablierung von neuen Technologien und weitere Investitionen unerlässlich sind. Dazu gehören Fragen zu rechtlichen Belangen, zur Standardisierung, zur Mensch- Technik-Interaktion und Unternehmens- und Domänen übergreifende Vernetzung. Querschnittsthemen sind letztlich ebenso bedeutsam wie die Technologiefelder an sich, denn sie eröffnen Geschäftsmodelle und schaffen wichtiges Zusatzwissen für die Anwendbarmachung.


Wie ist die deutsche Wirtschaft auf die Herausforderungen im Bereich IKT und Internet-Technologien vorbereitet?
Goerdeler: Die IKT-Branche ist quantitativ sehr bedeutsam und gut aufgestellt mit ca. 800.000 Herstellern und 600.000 Anwendern. Die deutsche Stärke liegt bei der Verknüpfung von Industrie und IT, d.h. der Systemintegration und Prozessoptimierung. Wir haben hohe Kompetenz bei den für die Endanwender nicht sichtbaren Technologien, gerade im Bereich Embedded und Cyber Physical Systems. Auch bei der Verbindung von Produktion und Dienstleistung spielt die IT eine große Rolle. Und hier müssen wir uns weiterentwickeln, daher ist dies auch Inhalt von Industrie 4.0. Lukas: Der vielleicht einzige Schwachpunkt ist, dass die Konsequenzen der durchgängigen Vernetzung bei Cyber Physical Systems von den Entwicklern und besonders den Anwendern noch nicht angemessen wahrgenommen und die Chancen noch nicht realisiert werden. Die Kompetenz, diese Chancen zu nutzen, ist in jedem Fall vorhanden. Man muss sie aber auch erkennen und nutzen - auch wenn das bedeutet, dass es nicht bei allem so weiter geht wie bisher. Goerdeler: Im globalen Umfeld geht es neben Komplexitätsbeherrschung und Flexibilität, die wir durchaus leisten können, um den verantwortungsbewussten Ressourceneinsatz. Auch dabei ist IT ein bedeutender Baustein, bei dem wir unsere Stärken einsetzen können.


Was bedeutet die nationale Förderung von Industrie 4.0 für das europäische FuE-Budget, sprich die Programme ARTEMIS und ITEA 2?
Lukas: ARTEMIS und ITEA 2 werden aus denselben nationalen Fördertöpfen finanziert wie auch Industrie 4.0. Aus einer neuen Schwerpunktsetzung folgt also keine Änderung der Budgets.


Welche Rolle spielt das BMBF bzw. BMWi innerhalb von Industrie 4.0?
Goerdeler: Es handelt sich um ein bewusstes Engagement von BMBF und BMWi gemeinsam mit Vertretern aus Industrie und Wissenschaft. Wirtschaft und Wissenschaft haben einen Arbeitskreis gegründet, der von drei Promotoren der Forschungsunion geleitet wird: Professor Dr. Henning Kargermann (Sprecher), Dr. Johannes Helbig und Professor Dr. Wolfgang Wahlster. Der Arbeitskreis hat eine beratende Funktion für BMBF und BMWi. Industrie 4.0 ist so organisiert, dass die Promotoren relevante Arbeitsgruppen (AG) ernennen, die Vorschläge zum FuE-Bedarf unterbreiten, eine technologische Deltaanalyse erstellen und mit anderen Projekten, Initiativen und Studien abgleichen. Aus den Arbeiten der AGs wird abgeleitet, wo die Herausforderungen liegen. Anhand dessen entscheiden BMBF und BMWi, worauf der Schwerpunkt liegen sollte und danach richtet sich entsprechend das Förderbudget. Das letzte Wort hat aber das Parlament über die zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel.

Für das BMWi sind vor allem die Anwendungsfelder bedeutsam, also die Frage: Was sind die Smart Production-Bereiche der Zukunft? Lukas: Das BMBF ist federführend bei der Koordinierung der Hightech- Strategie und der Entwicklung einer Forschungsagenda für Cyber Physical Systems. Wir setzen auf den Zusammenschluss aller relevanten Beteiligten aus Wirtschaft und Wissenschaft und verzahnen seinerseits Projektergebnisse mit den Arbeitsschritten für das Zukunftsprojekt Industrie 4.0. Hier laufen also die Fäden zusammen.

Auf welcher Stufe befinden wir uns hinsichtlich der Ziele der Initiative?
Lukas: In BMBF-Projekten wurden erste technische Grundlagen für die Realisierung des Zukunftsprojektes Industrie 4.0 entwickelt. Das betrifft vor allem softwarebasierte Embedded Systems und Cyber Physical Systems, das semantische Produktgedächtnis und die individualisierte Produktion. Auch die Anbindung des Internets der Dinge an Geschäftsprozesse ist in BMBF-Förderprojekten bereits validiert und wird derzeit in ersten kommerziellen Pilotanwendungen in der Praxis erprobt.

Wir fangen also nicht bei Null an, sondern verfügen über wichtige Bausteine, um daraus eine umfassende Vision zu entwickeln und in die Praxis umzusetzen. Damit dies erfolgreich ist, dürfen die ersten Pilotanwendungen aber keine abgeschotteten Inseln bleiben, sondern müssen zu einem umfassenden technisch-wirtschaftlichen Systemgeflecht zusammen wachsen. Dies ist die eigentliche Herausforderung.


Wie ist Industrie 4.0 in der High- Tech-Strategie der Bundesregierung verankert?
Goerdeler: Es gibt die Hightech- Strategie der Bundesregierung, die sämtliche Technologiebereiche betracht. Auf gleicher Ebene liegt die IKT-Strategie der Bundesregierung, die federführend vom BMWi für den IKT-Bereich erarbeitet und letztes Jahr verabschiedet wurde. IKT-Strategie und High-Tech-Strategie ergänzen sich. Im Rahmen der IKT-Strategie findet jährlich der IT-Gipfel der Bundesregierung satt, bei dem Ergebnisse und Vorhaben der Öffentlichkeit präsentiert werden. Zu unseren Aufgaben gehört es u.a., die Schnittmenge von Hightech- und IKT-Strategie sinnvoll zu verknüpfen.

Lukas: Die Forschungsunion entwickelt Zukunftsprojekte für die Hightech-Strategie. Industrie 4.0 ist ein solches Zukunftsprojekt und damit zentraler Baustein der Hightech-Strategie.


Was sind die nächsten Schritte innerhalb von Industrie 4.0?
Lukas: Die Forschungsunion hat ihr Papier zu Industrie 4.0 vorgelegt. Jetzt geht es um die Umsetzung durch Wirtschaft und Wissenschaft. Das BMBF und das BMWi werden ihrerseits ihre Förderung entsprechend ausrichten und die Umsetzung des Zukunftsprojektes Industrie 4.0 unterstützen

Goerdeler: Die AGs, die gemeinsam von den Promotoren gebildet werden, führen in den nächsten sechs bis neun Monaten ihre Arbeit fort und erstellen eine Analyse des jeweiligen Bereichs. Daraus wird ein Papier mit Handlungsempfehlungen generiert, an dem sich die politischen Entscheidungen orientieren: Wollen wir das? Wer macht was? Anschließend wird dann der zeitliche Rahmen der Umsetzung festgelegt.

 

Vielen Dank für das Gespräch.