Software für "embedded" Systeme
"Software drives Hardware"; mit diesem Merksatz werden Informatik-Studenten frühzeitig auf das "Primat des Algorithmus" eingeschworen. Auch bei der EU wird die Bedeutung der Software hoch eingeschätzt; im Rahmen des Programms "Information Technology for European Advancement" (ITEA) werden Projekte für Forschung und Entwicklung in "embedded"- und "distributed"-Software gefördert.
Seit dem Jahr 1999 haben europäische Informatiker im Rahmen des ITEA-Programms (www.itea-office.org/) mehr als 5 000 Mannjahre Forschung und Entwicklung für "embedded"-Software aufgewendet. Für die nächsten fünf Jahre sollen nach dem Willen der EU weitere 10 000 Mannjahre aufgewendet werden. Das diesjährige Symposium in Amsterdam war daher nicht nur eine Präsentation des Leistungsstandes der europäischen Software-Community, sondern es wies in den Vorträgen und Diskussionsbeiträgen auch die Richtung der künftigen Entwicklung. Welche Bedeutung dieser kooperativen Anstrengung von der europäischen Industrie zugemessen wird, ist bereits an den Gründungsmitgliedern ersichtlich: Alcatel, Barco, Bosch, Bull, DaimlerChrysler, Italtel, Nokia, Philips Electronics, Siemens, Thales und Thomson multimedia. Dementsprechend groß ist auch die Bandbreite der geförderten F&E-Projekte, von Echtzeit-Systemen auf der Basis des Internet über die Definition einer Methodologie für Entwicklung von Echtzeit-Software auf "embedded" Systemen bis hin zur Implementierung eines Protokolls für das künftige interaktive Digitalfernsehen.
Zwischen den Welten
"Middleware" war das Schlagwort der europäischen Informatikergilde, die auf dem Kongress insgesamt 31 Projekte präsentierte; eine Lösung für das Problem, zwischen den etablierten Betriebssystemen der verschiedensten Geräte und den Protokollen der sie vebindenden Netze und Netzwerke einen Mechanismus zu schaffen, über den die Vielfalt der Applikationen allseits nutzbar zu machen ist. Beispielhaft hierfür ist das Projekt "Advanced-Middleware for Virtual Home Environments" (VHE), an dem sich u.a. Siemens, Philips und Nokia beteiligt hatten. Die Grundidee besteht darin, eine virtuelle Umgebung zu schaffen - das Virtual Home Environment -, mit der in einem Haushalt die verschiedensten drahtlosen Übertragungsverfahren genutzt werden können. Die Software bietet dazu einen Mechanismus, mit dem jedes Gerät, das über einen beliebigen Netzzugang verfügt, auf Dienste aus anderen Netzen zugreifen kann; dabei wird von den technischen Details der jeweils involvierten Protokolle abstrahiert. Damit können die "User" Dienste maßschneidern und auf diese im eigenen Heim und im Büro und, über das Mobilfunknetz, im Automobil zugreifen. Es sind die verschiedensten Kombinationen möglich, die drahtlose Verbindung über GSM/GPRS/UMTS-Mobilfunk, über Bluetooth/WLAN/HomeRF/DECT auf Mobilfunkgeräte, über das Fernsehkabel auf TV-Set-Top-Boxen, die mit Smart Card ausgerüstet sind, sowie über das Festnetz (PSTN/ISDN).
Die Entwickler sehen wegen des breiten Anwendungsspektrum für ihre Software ein entsprechend großes Anwendungspotential. Die Projektpartner setzen die Ergebnisse bereits um; so entwickelt z.B. Bosch (www.bosch.de) auf der Basis von VHE "Infotainment"-Produkte für den Einsatz im Automobil, während die Orga Kartensysteme (www.orga.com) auf dieser Entwicklung basierende "Browser Plug Ins" verwendet, die für eine Authentisierung auf Smart Cards zugreifen.
Preisgekröntes ITEA-Projekt
Der jedes Jahr von ITEA vergebene "Achievement Award", der Preis für das beste Projekt, wurde an die Entwickler von PEPiTA vergeben (Platform for Enhanced Provisioning of Terminal Independent Applications). Ein Konsortium aus irischen, tschechischen und belgischen Teilnehmern, das von einer französischen Firma geführt wurde, entwickelte eine "Middleware", die den Anwendungsprogrammierern zunächst eine ganze Reihe von Funktionen für die Abwicklung von Diensten über das Internet zur Verfügung stellt. Darüber hinaus lassen sich terminalunabhängige Dienste - GMS-Mobiltelefon, PDA, PC - über unterschiedlichte Netze - LAN, Testnetz, Mobilfunk, Satellitenverbindungen - realisieren. Die Entwickler haben dabei zunächst den e-Commerce im Visier, aber auch die Suche nach Information und der Austachsch von Daten/Dateien sowie Sicherheits-Dienste und Fernsteuerung und -wartung werden unterstützt.
Konzentration auf die eigenen Stärken
Die Teilnehmerrunde der abschließenden Podiumsdiskussion unter der lLitung von Dr. C. Le Pair (ehemaliger CEO der holländischen Technologie-Stiftung STW), Jaques Bus (Leiter des Büros Technologie und Engineering im IST-Programm bei der EU-Generaldirektion Informationsgesellschaft), Prof. Dr.-Ing. Stefan Jähnichen (Fraunhofer-Institut FIRST - www.first.fraunhofer.de), Jan Lohstroh, (Senior Vice President von Philips Digital Systems Laboratories) Jaap van Scheijen (Director ICT im holländischen Wirtschaftsministerium) und Emmanuel Caquot (Leiter des Büros Informationsgesellschaft und Technologie im französichen Ministerium für Wirtschaft, Finanzen und Industrie) orientierten sich vorbehaltlos an dem vor der EU in Lissabon 2000 gesetzten Ziel, die EU zur " wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Volkswirtschaft auf der Welt bis zum Jahr 2010" zu machen, sahen aber bei den USA hinsichtlich der Ausgaben für Forschung und Entwicklung noch einen erheblichen Wettbewerbsvorteil. Während Caquot an die Teilnehmer appellierte, in den Wettbewerb mit den USA und Japan einzutreten, wies Bus darauf hin, dass die Quote der industrielle Forschung in Europa sehr niedrig sei. Umso dringlicher sei es daher, die Zielvorstellung der Gemeinschaft, bis 2010 den Anteil der F&E-Ausgaben auf 3 Prozent des Brutto-sozialprodukts zu steigern, auch zu realisieren. Die Runde war sich einig darin, dass die eingeschlagene Strategie weiter verfolgt werden müsse, sich im Bereich der Informationstechnologie auf die Förderung von Gebieten zu konzentrieren, bei denen Europa bereits einen Vorsprung habe.
Jens Würtenberg