Europäer forcieren die Software-Integration
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Fit für den internationalen Wettbewerb - Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen entwickeln eine gemeinsame Basis für intelligente Produkte mit "Embedded Systems"
By Martin Ciupek
Abheben im weltweiten Wettbewerb wollen sich europäische Unternehmen durch die Integration von Informations- und Kommunikationstechnik in Produkte - vom Telefon bis zur komplexen Fertigungsanlage. Zwischenergebnisse der Zusammenarbeit des bis 2007 laufenden Itea-Programms wurden kürzlich vorgestellt.
Unsichtbar, weil in ein System integriert, übernimmt Software immer mehr Funktionen in Automobilen, Waschmaschinen, Fernsehern, Mobiltelefonen und anderen technischen Geräten. Grund genug für den Europäischen Forschungsverbund Eureka, sich gezielt mit dem Thema auseinander zu setzten. Im vergangenen Monat wurden in Amsterdam bisherige Projekterfolge und künftige Zielsetzungen des 1999 gestarteten strategischen Programms "Information Technology for European Advancement" (Itea) vorgestellt. Fazit: In integrierter und verteilter Software stecken noch zahlreiche ungenutzte Potentiale.
Der Geschäftsführer der Itea, Eindhoven/Niederlande, Paul M. Mehring, sieht hier für europäische Unternehmen großen Handlungsbedarf, um die Wettbewerbsfähigkeit insbesondere gegenüber den USA zu erhalten. Beim Blick auf den Verteidigungsetat der Vereinigten Staaten von rund eine Mrd. Dollar täglich werde die Gefahr ins Hintertreffen zu geraten deutlich. "Etwa 30 % der amerikanischen Ausgaben für die nationale Verteidigung gehen in die Entwicklung von Software", so Mehring. Das müsse beim Vergleich zwischen Europa und den USA berücksichtigt werden. Mit der Itea sei man auf dem richtigen Weg, Europas Kompetenz bei der Entwicklung softwareintensiver Systeme zu stärken, mit dem Ziel weltweit die führende Position zu übernehmen.
Die Zwischenbilanz des noch bis 2007 laufenden Programms ist positiv. Vereint durch die Vision eines Europa, dass von der Zusammenarbeit zwischen Industrie, Regierungen und Hochschulen angetrieben wird, sei eine enge Gemeinschaft entstanden, heißt es aus dem Itea-Office. Eric Daclin, stellvertretender Geschäftsführer der Itea, beschreibt das bisherige Erfolgsgeheimnis: "Die an den unterschiedlichen Projekten beteiligten Unternehmen und Forschungseinrichtungen arbeiten länder-, unternehmens- und branchenübergreifend." Dabei stünden nicht einzelne Produkte im Vordergrund, sondern grundsätzliche Anforderungen hinsichtlich Austauschbarkeit, Kommunikationsstandards, etc. Dass dies nur der Anfang sein kann, steht für Declain außer Zweifel. "Der Anteil von Software wird stark ansteigen", ist er überzeugt.
Peter Kaiser, Leiter des Projektes "Evolution Management and Process" (Empress) und Abteilungsleiter Fraunhofer-IESE, Kaiserslautern, fordert ein Umdenken bei der Produktentwicklung: "Wir müssen uns langsam davon verabschieden, Software hemdsärmelig zu entwickeln." Während eine Software für eine integrierte Lösung bisher auch mal "in einer Nachtschicht" anzupassen war, sei dies künftig nicht mehr ohne weiteres möglich, warnt der Software-Experte. Als Grund nennt er die zunehmende Komplexität der Produkte. Besonders bei sicherheitskritischen Anwendungen oder bei großen Stückzahlen, die leicht zu kostenintensiven und Image schädigenden Rückrufaktionen führen können, müsse laut Kaiser ein größeres Augenmerk gelegt werden.
Starkes Interesse an zuverlässigen standardisierten Elektroniklösungen haben deshalb auch die europäischen Automobilbauer und deren Zulieferer, die sich seit Juli 2001 am Projekt "Embedded Electronic Architecture", kurz East-EEA, beteiligen. Gemeinsam arbeiten unter anderem Hersteller wie Audi, BMW, Daimler Chrysler, PSA Peugeot Citroën und Volvo sowie Zulieferer wie Robert Bosch oder ZF Friedrichshafen und verschiedene Hochschulen an einer effektiven Elektronik-Architektur für Kraftfahrzeuge. Bis Juni 2004 wollen die Teilnehmer aus Deutschland, Frankreich, Italien und Schweden eine offenen Architektur definieren, die die Interoperabilität von Software und Hardware für künftige Fahrzeuggenerationen sicherstellen soll.
Ziel der Gemeinschaftsentwicklung ist nach Angaben der Projektleitung, die verbesserte internationale Wettbewerbsfähigkeit europäischer Automobilhersteller, deren Zulieferer sowie der Service- und Middleware-Anbieter. Erreicht werden soll dies durch die mittels Standardisierung reduzierte Entwicklungszeit und die damit verkürzte Zeit zur Marktreife. Darüber hinaus erwartet man, dass die gemeinsame Vorgehensweise zu einem Anstieg der Produktqualität führen wird.
Probleme durch mangelnde Differenzierungsmöglichkeiten zwischen den einzelnen Fahrzeugmodellen sehen die Automobilhersteller trotz aller Standardisierung kaum. Sie schaffe lediglich eine gemeinsame Basis, so der Tenor auf dem Symposium in Amsterdam. Für die typenspezifischen Merkmale sollen dagegen verstärkt individuelle Funktionen sorgen, die den Fahrzeugen die von der Zielgruppe gewünschten Eigenschaften verleihen.
Auch an die Zeit nach Produktionsstart wird bereits bei den Projektteilnehmern gedacht. So soll die Programmiersprache Entwicklern gestatten, neue Funktionen zu integrieren oder bestehende Programme neuen Anforderungen anzupassen. Zusätzlich könnten im After-Sales-Geschäft Ergänzungen für bereits ausgelieferte ältere Modelle realisiert werden, wenn die Teilnehmer ihre eigenen Vorgaben erreichen.
Neben den noch laufenden Projekten hat das vor drei Jahren gestartete Itea-Programm bereits erste Resultate aus beendeten Projekten vorzuweisen, z.B. Pepita, die Plattform für Terminal-unabhängige Services und Applikationen. Vor allem Telekommunikationsunternehmen wie Alcatel Bell und France Télécom entwickelten hierzu eine gemeinsame Basis.
Pepita führte zu einer allgemeinen Plattform mit sicheren Verbindungen für Telefone und Handys sowie Smartcards und Computer über übliche Architekturen. Damit signalisieren die Projektbeteiligten eine zunehmende Unabhängigkeit von den USA beim Angebot zusätzlicher Onlinedienste. Der offene Code steht per Internet bei Objektweb zur Verfügung.